"Humor spielt für mich die größte Rolle"

und was sonst noch Hoffnung macht!

Hallo - schön, dass du da bist. Ich bin Sarah Kessler - Journalistin in Hamburg - und dies ist dein monatlicher Guide zu politischem Engagement und Lifestyle.

Ich weiß, dass viele diesen Newsletter lesen, die mich auch privat kennen. Und mindestens die wissen: Ich bin nicht gerade die Queen of Good News. Da es Ostern ja aber vor allem um Hoffnung und das Leben geht (etwas, in dem wir uns gerade kollektiv und religionsunabhängig üben können), fasse ich mich in dieser Ausgabe bei den Fuck-Ups kurz. Dafür gibt es:

  • Fünf Meldungen, die Hoffnung machen!

  • Elina Penner im Gespräch über Humor

  • Projekte und Petitionen, die unsere Welt ein kleines Stückchen besser machen

Weiter unten: Cut the Bullshit mit Elina Penner

Viel Spaß beim Lesen. Dir wurde dieser Newsletter weitergeleitet?

Und vergiss nicht, ihn an alle weiterzuleiten, die eine Dosis Inspiration zu mehr politischem Engagement und Lifestyle vertragen können - oder einfach Spaß an den Themen haben 🌸❤️

Pulse Check: Demokratiebarometer

Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät. […] Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf.

Erich Kästner

The biggest Fuck-ups:

Über ein paar Fuck-ups müssen wir aber trotzdem reden – ich halte mich wie versprochen kurz und verlinke für alle Interessierten weiterführende Artikel.

Am 3. März wurde in Großschirma mit Rolf Weigand der zweite sächsische AfD-Bürgermeister gewählt. Diese Kommunalwahl ist besonders relevant, weil sie wegen des Selbstmordes des bisherigen Bürgermeisters Volkmar Schreiter vorgezogen werden musste. Zuvor war er jahrelang von Rechten angefeindet worden, wie die Freie Presse recherchierte.

Bleiben wir noch einen Moment bei der AfD: Am 12. März veröffentlichte der Bayerische Rundfunk eine Recherche, nach der mehr als 100 Mitarbeitende der AfD-Bundestagsfraktion rechtsextrem sind. In der Folge „Rechtsextreme mit Hausausweis“ des tagesschau-Podcasts 11KM sind die Ergebnisse der Recherche gut zusammengefasst. Überraschen dürften die Ergebnisse niemanden mehr. Das macht es aber nicht weniger schlimm.

Wieso der internationale Tag gegen patriarchale Gewalt (8. März) auch in Deutschland noch nötig ist, haben diesen Monat zu viele Ereignisse eindrücklich gezeigt. Allen voran natürlich das Genderverbot aus Bayern. Dazu möchte ich Dominik Baur, Bayernkorrespondent der taz, zitieren: “Freundlicherweise hat der Ministerpräsident selbst auch gleich die Kommentierung der neuen Vorschrift mitgeliefert. Man braucht sie sich nur aus den diversen Bierzeltreden des vergangenen Jahres zusammenzuklauben, dann lautet sie ungefähr so: Wir brauchen keine ideologisch motivierte Sprachpolizei, und eine Verbotspartei wie die CSU passt einfach nicht zu Bayern; hier lebt man schließlich die Liberalitas Bavariae: Leben und leben lassen, sprechen und sprechen lassen! Okay, „CSU“ hat er jetzt nicht wirklich gesagt, sondern „Grüne“. Mehr gibt es dazu auch nicht zusagen.

Auch die Ergebnisse der Studie des Marktforschungsinstituts Ipsos und vom Global Institute for Women’s Leadership am King’s College London zur Gleichstellung der Geschlechter in Deutschland zeigen, wie weit der Weg noch ist. Ein Ergebnis sticht dabei besonders hervor: 34 Prozent der Millennials in Deutschland sind der Meinung, dass ein Mann, der zu Hause bleibt und sich um die Kinder kümmert, kein richtiger Mann ist.

Seit Donnerstag (28.03.) hat Saudi-Arabien nun den Vorsitz der UN-Frauenrechtskommission. Saudi-Arabien ist eine absolute Monarchie, in der das Königshaus mit einer ultrakonservativen Auslegung des Islam regiert. Im Gleichstellungsbericht 2023 des Weltwirtschaftsforums rangiert Saudi-Arabien auf Platz 132 von 146 Ländern. Bei der Wahl gab es keinen Widerspruch aus westlichen Ländern. Mehr dazu findet ihr hier.

Aber hey, wir sind doch alle längst gleichberechtigt, oder?

Demokratische Highlights: Fünf Meldungen, die Hoffnung machen

Nach der Good-News-Krise der letzten Ausgabe, kommt hier passend zum Osterfest eine große Portion Hoffnung.

  1. Erste gehörlose Abgeordnete im Bundestag: Heike Heubach (SPD) zieht als Nachrückerin in den Bundestag ein. Dort wird sie unter anderem von Gebärdensprach-Dolmetscher*innen unterstützt.

  2. Der TikTok-Account des AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah, wird von TikTok gesperrt, weil er zu oft gegen die Richtlinien verstoßen und Homophobie, Hetze und Verschwörungsmythen verbreitet hat. Insgesamt wird die Reichweite des Accounts für 90 Tage eingeschränkt, vom Stichtag bis zur Europawahl sind es nur 81. Rechtspopulist*innen verbreiten ihre Agenda vermehrt über die Sozialen Medien. Dass zumindest Krah bis zur Europawahl auf TikTok nicht weiter Hass und Hetze schüren kann, wird am Ende natürlich nicht die Wahl retten. Eine gute Nachricht ist es aber immerhin.

  3. Dem Kohle-Aus einen Schritt näher: Das Kohlekraftwerk Mehrum ist am Donnerstag (28.3.) endgültig vom Netz gegangen. Es war das erste Kraftwerk, dass in der Gaskrise 2022 wieder eingeschaltet wurde. Nun ist es das endgültige Ende, der Abriss des Kraftwerks ist bereits in Planung. Ein guter Tag für den Klimaschutz!

  4. Faeser will Frauen besser vor Gewalt durch ihre Partner oder Ex-Partner schützen: Das Kontaktverbot der Täter sei nicht ausreichend, so die Bundesinnenministerin (SPD). Im Gespräch mit der Funke Mediengruppe kündigte sie weitergehende Maßnahmen an, “damit die Täter ihr aggressives Verhalten beenden und sich tatsächlich verändern“. Vorbild für die neuen Regelungen soll Österreich sein: Dort ist das Kontaktverbot an eine verpflichtende Gewaltprävention gekoppelt. Eine entsprechende Beratungsstelle muss innerhalb von fünf Tagen aufgesucht werden, die Beratung selbst innerhalb von 14 Tagen stattfinden. Faeser will sich nun mit ihrem Kollegen, Justizminister Marco Buschmann (FDP), abstimmen. Bleibt nur zu hoffen, dass die Ampel bei diesem wichtigen Thema mal von Beginn an einem Strang zieht.

  5. Nun laufen sie doch wieder, die Gespräche zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts vor extremistischer Gesinnung. Nachdem die CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende, Andrea Lindholz, den Gesprächen eine Absage erteilte (ich berichtete im letzten Newsletter), gibt es Medienberichten zur Folge nun doch einen konkreten Gesetzentwurf. Die Verhandlungen laufen noch. Also sind das vorsichtige Good News - aber immerhin: Es scheint noch nicht alles verloren!

Cut the Bullshit: Ich will nicht über die AfD reden, sondern über Hanau!

"Hast du Lust auf ein Interview für meinen Newsletter?", schrieb ich Elina in der Woche vor Ostern. "Klar, ich hätte jetzt Zeit", kam prompt die Antwort. So haben wir uns unterhalten, ohne davor tagelang Interviewfragen vorzubereiten, und weil Elina Penner so eine tolle und irre witzige Erzählerin ist, habe ich vor allem zugehört. Elina Penner ist Mennonitin. Sie wurde 1987 in der Sowjetunion als Kind einer deutschen Familie geboren. Im Alter von vier Jahren zog sie mit ihrer Familie nach Ostwestfalen. Wir sprachen über ihr aktuelles Buch "Migrantenmutti", in dem sie über die Herausforderungen von Aufstieg und Identität in Deutschland schreibt. Aber vor allem haben wir über die Bedeutung von Humor gesprochen. Ich habe jede Sekunde des Gesprächs genossen und ich hoffe, ihr tut das auch:

Elina Penner. Credit: Joseph Mensch

Liebe Elina, für alle, die dich noch nicht kennen: Wer bist du? In einem Satz!

In Deutschland stellen wir uns ja immer mit dem Beruf vor. Deshalb: Ich bin Journalistin und Unternehmerin. In einem zwangsloseren Kontext würde ich sagen: Ich bin Elina.

Welche Rolle spielt der Humor in deinem Leben?

Die größte! Zum einen dient er der Traumabewältigung, aber ich komme auch aus einer sehr humorvollen Familie. Wenn ich an meine Familie denke, fallen mir als erstes Lachanfälle ein. Das ist auch meine Erfahrung mit anderen migrantischen Gruppen: Wir verbinden uns oft über den Humor.

Weil man den Alltag sonst nicht aushält?

Auch. Wir Migras kommen mehrheitlich aus einer Kultur oder einer Familie, wo Stillstand keine Option war, sondern in der man immer vorankommen musste. Das produziert komische Alltagssituationen und manche sind zu regelrechten Running Gags geworden. Nehmen wir das Beispiel der fliegenden Hausschuhe: Wenn du diese Geschichte Menschen ohne Migrationsgeschichte erzählst, steht da schnell das Wort “Kindesmissbrauch” im Raum. Und natürlich kannten wir auch Kinder, die wirklich von ihren Eltern verprügelt wurden. Wir waren da quasi die "Hippies", bei denen ab und zu mal ein Hausschuh flog. Die fliegenden Hausschuhe sind eine witzige Geschichte, die bei einem Publikum funktioniert, das arabische, spanische oder afrikanische Wurzeln hat - alle lachen darüber. Doch in einer ostwestfälischen Bibliothek könnte ich diesen Witz nicht erzählen. Ich habe das Gefühl, dass die Leute dort manchmal nicht wissen, wann sie lachen dürfen.

Sie wissen nicht, wann sie lachen dürfen?

Die deutsche Mehrheitsgesellschaft will nichts falsch machen und ist extrem verkrampft, ja schuldbewusst. Wenn sie bei meiner Lesung lacht, dann nicht, weil sie etwas lustig findet, sondern weil sie denkt, es sei angemessen, dass das Publikum jetzt lacht. Die wollen nicht diskriminieren oder als ausländerfeindlich abgestempelt werden. Dabei wird gerne vergessen, dass Migra-Familien auch rassistisch sein können. Nur weil man selbst eine Migrationsgeschichte hat, heißt das nicht im Umkehrschluss, dass man nicht selbst rassistisch sozialisiert wurde.

Elina Penner

Du schreibst und sprichst über die Gegenwart. Ist die rassistische und extrem rechte AfD bei deinen Lesungen ein Thema?

Ich will nicht immer über die AfD reden, sondern über Hanau. Ich glaube, die AfD bekommt mehr als genug Aufmerksamkeit, dauerhaft und nachhaltig. Aber Ereignisse wie Hanau und Menschen, die von rassistischer Gewalt bedroht sind, sind natürlich auch ein großes Thema für mich.

Und das besprichst du dann mit deinem Publikum?

Grundsätzlich bin ich ein Fan von positiven Geschichten. Deshalb versuche ich, in meinen Lesungen ein verbindendes Element einzubringen, vor allem im migrantischen Kontext. Über Erfahrungen, aber auch über Schmerz. Dabei reden wir viel weniger über die AfD oder über Rassismus und Diskriminierungserfahrungen, sondern viel mehr über Partnerschaft und Elternschaft. Denn wie rassistisch diese Gesellschaft ist, das spüren wir Migras ja jeden Tag. Aber spätestens, wenn es um Partnersuche und Familiengründung geht, tauchen so viele Fragen auf: Welche Sprache wird zu Hause gesprochen? Welchen Einfluss hat die Religion? Das sind ganz andere Diskussionen, als wenn man sich hinsetzt und über die Farbe des Kinderzimmers redet. Da geht es um absolut Essenzielles und immer auch um die eigene Identität.

Beim Thema Familiengründung wird die eigene Identität verhandelt?

Viele Post-Ost-Menschen merken ihre Migrationsgeschichte erst, wenn sie ein Kind bekommen, einfach weil sie vorher als weiße, meist christlich sozialisierte Menschen nicht aufgefallen sind, weil sie sich so stark assimiliert haben. In den 90er und 00er Jahren gab es kaum Vorbilder. Wenn wir in Serien oder Vorabendshows auftauchten, dann oft als Witzfiguren. Das ändert sich jetzt langsam: Meine Generation schreibt Bücher, macht Podcasts und sitzt in Redaktionen. Es macht eben einen großen Unterschied, wenn Leute wie Natalia Warkentin bei der FAZ sind oder das ZEITmagazin von einem schwarzen Juden und einer polnischen Aussiedlerin geleitet wird.

Das macht Hoffnung. Ich habe eine letzte Frage von Autorin zu Autorin: Was sollte ich als nächstes lesen?

“Keine gute Geschichte” von Lisa Roy - das Buch hat viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommen. Für mich ist es einer der drei besten Romane, die je in Deutschland erschienen sind. Besser kann man eine Geschichte über Klasse, über das Ruhrgebiet, über Migration kaum schreiben.

Glamour Gazette: Release Your Inner Child

Nein, das ist kein Werbeblock und ich bekomme für keine dieser Empfehlungen Geld. Da dies dein monatlicher Guide für politisches Engagement UND Lifestyle ist, dürfen aber ein paar ernstgemeinte Empfehlungen nicht fehlen:

Bilder: PR

Zu “Keine gute Geschichte” von Lisa Roy brauche ich ja wohl nichts mehr Schreiben. Alles, was zu sagen ist, hat Elina übernommen! Los, kauft euch das Buch und lest es! Im Shop "Philokalist" von Asita Morgan gibt es viele Produkte, die gute Laune machen. Mit diesem schönen Regenbogen-Schlüsselanhänger trägst du sie mit dir herum. Wie schön ist bitte dieser Pullunder von Lotta Ludwigson? Und das beste: Komplett nachhaltig. Während ich diese Zeilen tippe, sitze ich noch in Bella Italia und schlürfe abwechselnd Espresso und Aperol - und freue mich jetzt schon, das dolce vita mit dieser Alessi-Moccakanne mit nach Hause zu nehmen! Die erste Co-Creation von Stapelstein und Nike van Dinter ist eine Ode an die Welt üppiger Lebensfreude. Was man damit machen kann? Endlich mal wieder die eigene Fantasie spielen lassen!

& action, bitte!

Petitionen, Demos & Co: So kannst du jetzt aktiv werden:

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Bis zur nächsten Ausgabe,

eure Sarah